Ein Plädoyer für eine stärkere Beteiligung von Kindern und Jugendlichen
Vor einigen Tagen besuchte ich meine alte Gesamtschule. Es ist schon verrückt, wenn man nach Jahren der Abwesenheit mal wieder an den Ort zurückkehrt, an dem man so viele schöne und aufregende, aber auch peinliche und mitunter schlechte Dinge erlebt hat. Man geht durch die Flure und unweigerlich schießen einem Erinnerungen durch den Kopf, von denen man gar nicht mehr wusste, dass sie überhaupt noch da sind. Hinter der einen Ecke findet sich der Erfolg der eigenen Klasse beim letzten Sportturnier, hinter der anderen Ecke lauert der Spott der Mitschülerinnen und Mitschüler, den wir alle wohl das eine oder andere Mal erdulden mussten.
Ich erinnerte mich auch an die Jahre, in denen ich als Klassensprecher die nicht immer ausschließlich erfreuliche Aufgabe hatte, meine Freundinnen und Freunde zu vertreten. In dieser Zeit erlebte man Erfolg und Misserfolg gleichermaßen. Und auch wenn es bei weitem nicht der Regelfall war, so wurde einem doch mitunter das Gefühl vermittelt, von Erwachsenen nicht richtig ernst genommen zu werden. Das mag auch an einigen Stellen – zumindest aus heutiger Sicht – verständlich gewesen sein. Damals war es das aber (aus der subjektiven Sichtweise eines pubertierenden Jungen) beinahe nie. Vor allem Jugendliche empfinden Unrecht sehr intensiv.
Als ich nun vor einigen Tagen durch die Gänge meiner alten Schule lief, dachte ich an solche Dinge und ich dachte daran, dass ich bei über 30 Grad im Schatten und strahlend blauem Himmel wohl der Letzte gewesen wäre, der freiwillig länger in der Schule geblieben wäre. Genau auf diese Bereitschaft hoffte ich jedoch – und wurde nicht enttäuscht.
Ich war an diesem traumhaften Sommertag an die Gesamtschule Schenklengsfeld gekommen, um ein Projekt vorzustellen, das mir persönlich sehr am Herzen liegt. Die Etablierung eines Kinder- und Jugendparlaments in der Gemeinde Schenklengsfeld. Nachdem es mir bereits gelungen war, die gemeindlichen Gremien von der Idee zu überzeugen und eine Satzung auf den Weg zu bringen, die das Wahlverfahren und die Rechte des Kinder- und Jugendparlaments festlegt, folgte nun die nächste Herausforderung. Diejenigen zu begeistern, ohne die das Ganze nicht mehr als eine Idee bleiben würde: Die Kinder und Jugendlichen.
Trotz des tollen Wetters, das so gar nicht nach Klassenraum schrie, blieben knapp 20 Schülerinnen und Schüler länger in der Schule, um sich darüber zu informieren, wie sie sich zukünftig kommunalpolitisch engagieren können. Besonders freute ich mich über einen Schüler, der direkt nach der Veranstaltung voller Begeisterung fragte, ob er sich direkt aufstellen lassen könne. Da sag nochmal jemand die Jugend interessiere sich nicht für Politik!
Nun mag der eine oder die andere sagen: „Schön und gut diese Idee, aber brauchen wir denn wirklich noch mehr Gremien, die in eintönigen Sitzungen über Politik schwadronieren?“ Ich denke: „Ja.“ Und selbstverständlich gibt es dafür auch gute Argumente. Das für mich Wichtigste möchte ich im Folgenden kurz skizzieren:
Stärkung der Demokratie
18 Jahre. Das ist in Deutschland die magische Grenze, an der so manches möglich wird: Alleine Auto fahren, harte Spirituosen konsumieren (aber bitte nicht gleichzeitig) oder auch eigenständig Verträge abschließen. Die Volljährigkeit öffnet so manche Tür. Eine der wichtigsten: Man darf den deutschen Bundestag wählen und in Hessen auch bei Landtags- und Kommunalwahlen diverse Kreuzchen auf dem Wahlzettel machen.
Und unter 18? In Sachen Wahlen passiert da nicht viel. Alle paar Jahre wird vielleicht eine neue Schulsprecherin oder ein neuer Schulsprecher gewählt, ja. Aber immer dann, wenn die Eltern zur Wahl gehen, bleiben Kinder und Jugendliche zu Hause. Nun könnte man an dieser Stelle über eine Absenkung des Wahlalters diskutieren. Aber selbst bei einer solchen Anpassung auf bspw. 16 Jahre, wie es bei der SPD und auch in den meisten Juso-Strukturen Beschlusslage ist, bleibt eine große Personengruppe unberücksichtigt.
Kinder- und Jugendparlamente setzen demgegenüber früher an. Durch sie ist es möglich jenen Personen eine Stimme zu geben, die bisher weitgehend unbemerkt bleiben. Und das in eigenständigen Gremien, die – und das ist wichtig – mit ausreichend Kompetenzen ausgestattet sein müssen. Hierzu zählt sicherlich ein themenbezogenes Antragsrecht für Belange von Kindern und Jugendlichen sowie ein damit verbundenes Rederecht in der Gemeindevertretung bzw. der Stadtverordnetenversammlung oder dem Kreistag.
Mit Befugnissen ausgestattete Kinder- und Jugendparlamente, die nicht einfach ignoriert werden dürfen, können ein großer Zugewinn für unsere Demokratie sein. Zum einen, weil wir dadurch einer quantitativ unterrepräsentierten Gruppe in unserer Gesellschaft Mitbestimmungsrechte geben, die es ihnen ermöglichen, Einfluss auf den öffentlichen Diskurs zu nehmen. Zum anderen führen wir junge Menschen dadurch frühzeitig an Politik und demokratische Mitbestimmung heran, schaffen Verständnis für den Ablauf von Entscheidungsprozessen und bekämpfen dadurch aktiv Politikverdrossenheit an der Stelle, wo es am Wichtigsten ist: Bei den jüngsten Menschen in unserer Gesellschaft. Den Kindern und Jugendlichen.
von René Petzold