Die einschlägigen Discounter senken nun auch die Preise für Fleisch. Eine voraussehbare Entwicklung nachdem in den vergangenen Monaten auch die Preise für Milch, Eier und andere tierische Produkte vielerorts gesunken sind. Und tatsächlich: Beim Durchblättern der diversen wöchentlichen Werbehefte fallen direkt mehrere Super-Preis-Knüller auf. Ein Hähnchen für 2,99 €, 1 kg Hackfleisch für 3,50 €. Juhu. Jetzt kann sich endlich jede_r so viel Fleisch leisten wie gewünscht wird. Doch Moment – Aufzucht, Fütterung, Unterbringungskosten der Tiere und dann noch der Lohn der Mitarbeiter_innen – zu solchen Preisen? Wie kann das sein?
Versucht man einen Blick hinter die Kulissen zu werfen, stößt man schnell an Grenzen – Transparenz ist etwas anderes. Die Beschäftigten sind aber zu einem Großteil beispielsweise nicht direkt bei Schlachtbetrieben angestellt, sondern über Drittfirmen mit Leiharbeit oder Werkverträgen. Viele davon stammen aus Rumänien und Bulgarien und arbeiten für Löhne, die weit ab jeglicher Mindestlohnforderungen liegen. Tarifverträge gibt es häufig nicht – wie auch? Nur wenige Arbeiter_innen sind in Gewerkschaften organisiert, viele werden durch die prekären Beschäftigungsverhältnisse eingeschüchtert und trauen sich nicht Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen zu stellen.
Doch das ist leider noch nicht alles. Geschlachtet werden in Deutschland pro Jahr 750 Millionen Tiere, das sind ca. 2,5 Millionen Tiere pro Tag (ohne Sonn- und Feiertage). Häufig werden die Tiere vorher in engen, dunklen Transportern mehrere hundert Kilometer vom Mastbetrieb hin zum Schlachtbetrieb gefahren. Und dann zack-zack: Es muss schnell gehen, schließlich müssen alle Schlachtbetriebe 2,5 Millionen Tiere schaffen. Ein erheblicher Anteil des Fleisches wird dann übrigens exportiert und anderes wiederum importiert. Die Produkte haben also eine lange Reise hinter sich bis sie bei den Verbraucher_innen auf dem Teller liegen. Und dank diesem verkürzt dargestellten Prozess ist es heute möglich, dass jede_r Deutsche_r pro Jahr ca. 60 kg Fleisch konsumieren kann. Der tatsächliche Verbrauch liegt allerdings bei ca. 90 kg Fleisch pro Kopf, da im Herstellungsprozess des später im Handel erhältlichen Fleisches natürlich noch Knochen und Abschnitte anfallen, die dann in der Regel im Müll oder im Tierfutter landen. So oder so macht das aber über 1 kg Fleisch pro Woche pro Person.
Und alle freuen sich. Denn es ist doch super, dass sich auch Menschen, die nicht so viel verdienen, so viel Fleisch leisten können, wie sie möchten. Eine verheerende Schlussfolgerung. Unser Anspruch ist es doch vielmehr, dass jede_r so viel verdient, dass eine gesunde Ernährung möglich ist (nur am Rande: gesund wären maximal 500 g Fleisch in der Woche). Das erreichen wir nicht über Dumpingpreise, sondern über faire Löhne und Arbeitsbedingungen – auch in der Fleischindustrie. Weiterhin wollen wir eine nachhaltige Lebensweise führen, wir wollen die Umwelt schützen. Kommende Generationen sollen auf dieser Welt noch leben können. Indem wir nun aber Unmengen Flächen für Futtermittel verwenden und langfristig zerstören, Tiere mit keinerlei Respekt begegnen und allein den Preis über unsere Kaufentscheidung bestimmen lassen, zerstören wir eben jene Umwelt.
Klar – das ist ein emotionales, schwieriges Thema. Aber vielleicht kann der Staat damit beginnen, mehr Transparenz der Industrie hinsichtlich der Haltungsbedingungen und der Transportwege zu verlangen und vielleicht müssen auch die Verbraucher_innen damit beginnen, das eigene Kaufverhalten mehr in Frage zu stellen. Und das führt dann wohl zu weniger, anderem oder gar keinem Fleischkonsum. Aber das ist der einzige Weg, den wir Verbraucher_innen gehen können, um eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Industrie und der Lebensbedingungen der Tiere sowie einen nachhaltigen und verantwortungsbewussten Umgang mit der Umwelt zu erreichen.
von Tabea Heipel