Pressemitteilung
Nordhessische Jusos erklären zu aktuellen Fällen von sexueller Gewalt gegen Frauen in Nordhessen:
„Sexuelle Gewalt existiert nicht erst seit Köln“
Kassel/Baunatal: Das Problem sexueller Gewalt gegen Frauen ist nach Ansicht der nordhessischen Jusos in der SPD kein Problem des „Fremden“, sondern sexuelle Gewalt und Sexismus sind in unserer Gesellschaft sehr weit verbreitet, sie sind seit Jahrzehnten ein alltäglich in Deutschland vorkommendes Verbrechen.
„Wer meint, sexuelle Gewalt gegen Frauen hätte nur etwas mit Ausländern zu tun und existiere erst seit der Silvesternacht in Köln, hat offensichtlich keine Ahnung vom Thema“, erklärte Lara Kannappel, die Bezirksvorsitzende der nordhessischen Jusos.
Kannappel weiter: „Köln ist nicht vorbei, Köln begann nicht in der Silvesternacht und hat weder etwas mit Flüchtlingen noch mit der Karnevalshochburg zu tun. Sexuelle Gewalt und Sexismus sind in unserer Gesellschaft weit verbreitet. Wir reden nicht über den weißen Mitvierziger, der uns in der Bahn bedrängt, oder den Kommilitonen, der im Club ein „Nein“ gerne überhört. Wir reden auch nicht über den alkoholisierten Kumpel des Onkels, der uns auf dem Dorfplatzfest anzüglich zum Tanzen auffordert oder die Gruppe, die sich uns lachend auf dem nächtlichen Heimweg in den Weg stellt“.
„Sexuelle Gewalt gegenüber Frauen steht in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit Migration“, ergänzte die stellvertretende Juso-Bezirksvorsitzende Natalia Franz. „Vielmehr beobachten wir, dass die Hemmschwelle über Taten aus einem bestimmten Täterkreis zu sprechen, gesunken ist und das Leid der Frauen für rechte Hetze instrumentalisiert wird“.
Deswegen sind Artikel und Kommentare, die einen Zusammenhang zwischen sexueller Gewalt und Menschen mit Migrationshintergrund herstellen und geflüchtete Menschen generell als „mit ihrem Frauenbild im Mittelalter zuhause“ diffamieren, nach Ansicht der nordhessischen Jusos brandgefährlich.
Die nordhessischen Jusos sehen in einer so geführten öffentlichen Debatte über sexuelle Übergriffe die Gefahr, dass demokratiefeindliche, rechtsradikale Trittbrettfahrer Munition für ihre rechte Hetze gegen Ausländer bekommen. „Denn eines steht fest, Rechtsradikale sind in Deutschland noch nie Beschützer von Frauenrechten gewesen, sondern haben ebenfalls ein zutiefst frauenfeindliches Menschenbild verinnerlicht“, führten Lara Kannappel und Natalia Franz aus.
Kannappel und Franz fordern statt öffentlicher Diffamierung von Ausländern, daher konsequent einen besseren Schutz der Opfer von Sexual- und Gewalttaten.
„Wir müssen aufhören, Opfern sexueller Gewalt eine Schuldrolle zuzuschreiben und ihnen zu erzählen, wie sie sich zu kleiden und zu verhalten hätten, um Taten zu verhindern. Die Schuld liegt hier niemals bei den Opfern, sondern immer bei den Tätern“, so Kannappel und Franz. Die öffentliche Debatte spiegelt nur einen kleinen Teil des Problems wieder. Etwa 80% der Übergriffe finden im direkten Umfeld der Opfer selbst statt und besonders in diesem Raum falle es Frauen oftmals schwer über das Geschehene zu sprechen.
Die nordhessischen Jusos fordern deshalb einen besseren Opferschutz im Sexualstrafrecht. Sie begrüßen den Vorstoß des Bundesjustizministeriums unter Heiko Maas, unterstützen jedoch auch die Forderungen des Weißen Ring e.V., dass die Gesetzesänderung, die im März 2016 im Bundeskabinett beschlossen wurde, nicht weitgehend genug ist.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO bezeichnet Gewalt gegen Frauen als eines der größten Gesundheitsrisiken. 40% der Frauen gaben in einer Befragung des Bundesfamilienministeriums an, seit ihrem 16. Lebensjahr sexuelle Gewalt erlebt zu haben. 58% wurden bisher bereits sexuell belästigt. Sexuelle Gewalt geht jedoch in den meisten Fällen von aktuellen oder früheren Beziehungspartnerinnen oder Partnern aus, so das Ergebnis der Studie.
Für die nordhessischen Jusos sind Diskriminierung, Sexismus und Rassismus seit vielen Jahren zentrale Themen. Die letzte Juso-Bezirkskonferenz im April 2016 beschäftigte sich gerade mit diesem Thema und einigte sich, auch das eigene Verhalten noch stärker zu reflektieren und Sexismus auch innerhalb des Juso-Verbandes vorzubeugen.
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