In diesen Tagen beginnt für viele Azubis ihre Ausbildung. Alles wie immer? Wohl kaum. Zum Ausbildungsstart am 1. September 2020 ist vieles anders. Denn noch immer durchlebt die Welt eine globale Pandemie. Covid-19, ein Corona-Virus, hat seit Anfang des Jahres alle Lebensbereiche durchdrungen und sorgt auch nach sechs Monaten Ausnahmezustand in Deutschland noch für vielfältige Probleme.
Der folgende Blogbeitrag widmet sich dem Schwerpunkt Ausbildung, weil dieser gerade zwischen Debatten um Schule und Hochschule häufig zu kurz kommt. Während die Gründe dafür vielfältig sein mögen, ist doch festzuhalten, dass dies sicherlich einerseits einem politischen Interesse an den Themen geschuldet sein mag, dass allerdings andererseits die Selbstvertretungen der Lernenden an Schulen und Hochschulen leider meist deutlich mehr Aufmerksamkeit für ihre Anliegen erzeugen. So richtet die Pandemie auch die Lupe darauf, wie wenig Auszubildende in den politischen Diskursen vorkommen und so eine zentrale Perspektive junger Menschen kontinuierlich verloren geht.
Let’s talk numbers – was eine Ausbildung 2020 in Hessen ausmacht
Der aktuelle Trend ist nicht neu: immer weniger Betriebe bilden aus, auch schon vor Corona. Die Pandemie hat diese Entwicklung verstärkt und die Zahl der Ausbildungsplätze in Hessen ist noch einmal um acht Prozent gesunken [1]. Ausnahme ist dabei der öffentliche Dienst, der seine Ausbildungsstellen leicht ausbaut. Insgesamt gibt es auch jetzt noch eine nicht unerhebliche Zahl an freien Stellen – für diese muss man allerdings sowohl regional als auch fachlich flexibel sein [2]. Gar nicht so einfach, wenn man bedenkt, dass fast 60% der befragten Auszubildenden im DGB-Ausbildungsreport 2020 berichten, dass sie „weniger gut“ oder „garnicht“ ihr Leben finanziell unabhängig gestalten können und fast die Hälfte dauerhaft auf finanzielle Unterstützung angewiesen ist [3]. Auch Fragen nach Mobilität und weiteren Kosten spielen eine Rolle. Und auch wenn das Land Hessen in diesem Jahr das Schuldgeld für die Ausbildung in Gesundheitsberufen übernimmt [4] – von dauerhaften Schuldgeldbefreiungen oder gar der Abschaffung dessen ist wohl kaum die Rede.
Die Zukunft der Ausbildung – was in Hessen und Deutschland passieren muss
Wie also weitermachen? In Deutschland und Hessen gibt es viele Stellschrauben, um die Situation in der dualen Ausbildung zu verbessern. Die Gewerkschaften und Gewerkschaftsjugenden kämpfen schon lange dafür, dass auf Bundesebene das Berufsbildungsgesetz (BBiG) umfassend novelliert wird. Die Novellierung 2019 hat einige Verbesserungen, aber nicht wirklich den großen Wurf gebracht. Was will man auch von einer Bundesbildungsministerin erwarten, die bei dem Thema eher durch mauern als durch Initiative auffällt? Mit Anja Karliczek wird sich in diesem Bereich wohl leider eher wenig tun. Doch die nächste Bundestagswahl bietet die Chance progressiver Mehrheiten, die auch im Bereich Ausbildung endlich den vorhandenen Gestaltungsspielraum nutzen. Das betrifft zum Beispiel das Thema Mindestausbildungsvergütung und somit die Frage, ob Auszubildende in allen Bereichen ihren Lebensunterhalt selbst finanzieren können. Auch die Situation von dual Studierenden gälte es dringend endlich im BBiG zu regeln.
In Hessen hat die SPD 2018 ihre Ziele für die Zukunft der Ausbildung vorgestellt [5]. Von der schwarz-grünen Landesregierung dagegen hört man zu dem Thema eher wenig. Aus jungsozialistischer Sicht muss klar sein: jeder junge Mensch muss das Recht zur (beruflichen) Ausbildung haben. Deswegen kämpfen wir für eine Ausbildungsgarantie, wie es sie beispielsweise in der Hansestadt Bremen bereits gibt. Betriebe sollen dazu verpflichtet werden auszubilden – denn wer gut qualifizierte Fachkräfte will, muss auch selbst etwas dazu beitragen! Damit man auf der Suche nach einer Ausbildung nicht allein gelassen wird, braucht es Berufsorientierung und Unterstützung für Bewerbungsverfahren bereits in der Schule.
Wenn eine Ausbildung dann gestartet ist, braucht es gute Bedingungen. Gerade Corona hat gezeigt: in den Berufsschulen ist noch Luft nach oben. Eine gute Ausstattung sowie eine umfassende Digitalisierungsstrategie sind das Minimum, damit die Auszubildenden von heute nicht zu den Verlierer*innen von morgen werden, nur weil sie ihre Ausbildung in der aktuellen Situation absolvieren müssen. Dazu gehört auch eine bessere Durchlässigkeit zwischen verschiedenen Ausbildungswegen und nach abgeschlossener Ausbildung hin zu einem Studium.
Wenn die Ausbildung sich dann dem Ende neigt, bangen viele um die Frage nach dem Danach. Gemeinsam mit den Gewerkschaftsjugenden fordern wir Jusos eine Übernahmegarantie, damit junge Menschen, die gerade ihre Ausbildung abgeschlossen haben, nicht im Regen stehen gelassen werden. Denn das Thema Fachkräftemangel ist u.a. so akut, weil bestimmte Bereiche als unattraktiv gelten. Schlechte Ausbildungsbedingungen motivieren niemanden.
Für eine bessere duale Ausbildung in Hessen und Deutschland gibt es viel zu tun. Ein Problem, das sich nicht allein durch Gesetze lösen lässt, ist die Frage nach der Anerkennung und Wertschätzung. Duale Ausbildung und Hochschulstudium stehen nicht in Konkurrenz zueinander. Beide sind wichtig für unsere Gesellschaft, keine von beiden ist besser als die andere. Deshalb gilt es dafür zu sorgen, dass diese Gleichwertigkeit sich auch in Wahrnehmung und Umgang widerspiegelt. Am Ende profitieren alle davon, wenn sich hier fundamental etwas zum Besseren wendet.
[1] https://www.fr.de/rhein-main/in-hessen-sind-mehr-menschen-ohne-arbeit-90034927.html[2] https://www.fr.de/frankfurt/noch-viele-offene-lehrstellen-in-hessen-90018523.html[3] DGB-Bundesvorstand, Ausbildungsreport 2020, August 2020.[4] https://www.frankfurt-live.com/hessen–uumlbernimmt-schulgeld-f-uumlr-azubis-in-gesundheitsberufen-124566.html[5] https://www.spd-fraktion-hessen.de/2018/03/15/ausbildung-garantiert-spd-fraktion-im-hessischen-landtag-will-allen-jungen-menschen-eine-berufliche-perspektive-geben/