Wir haben uns als Vorstand der Jusos Hessen-Nord ran gemacht, um uns offen und fair über das Koalitionspapier Gedanken zu machen und für uns eigene Schlüsse zu ziehen.
Wenn dich unser gesamter Eindruck interessiert, kannst du dir HIER die 16 Seiten als PDF herunter laden.
Unser Fazit könnt ihr aber hier lesen.
Der Koalitionsvertrag nennt einige wichtige sozialdemokratische Projekte. Zu den großen Erfolgen gehört die Lockerung des Kooperationsverbots, die es dem Bund ermöglicht stärker in Bildung zu investieren. Diese Investitionen sind dringend notwendig und entlasten die Städte und Gemeinden vor Ort ebenso wie die Länder. Darüber hinaus verspricht der Koalitionsvertrag Verbesserungen für Mieter*innen und Menschen, die selbst bauen möchten. Die Mietpreisbremse bleibt zwar ein eher zahnloser Tiger, dafür werden die Möglichkeiten, Mieter*innen durch Modernisierungen zur Kasse zu bitten, eingeschränkt. Ein weiterer großer Erfolg ist die Einführung einer Mindestauszubildendenvergütung. Doch auch hier wird nicht konkreter geregelt wie hoch diese Mindestvergütung sein wird.
Gerade in Bereich der Pflege finden sich nicht die dringend benötigten Verbesserungen. Am beschwerlichen Arbeitsalltag von Pfleger*innen wird sich nichts ändern. Dies geht zu Lasten von Pflegepersonal und Patient*innen.
Eines der größten Probleme des Vertrags ist das Einknicken vor den Rufen der Rechtspopulist*innen von AfD, PEGIDA und CSU. Eine noch stärkere Abschottung der EU und die im Bundestag bereits beschlossene weitere Beschränkung des Familiennachzugs verstärkt fremdenfeindliche Diskurse. Wenn aus den Forderungen von Rassist*innen Gesetze werden, verschiebt dies den gesellschaftlichen Diskurs weiter nach rechts. Die SPD hat es verpasst hier einen gesellschaftlichen Gegenentwurf zu präsentieren, der für eine offene Gesellschaft wirbt. Gegen diese offene Gesellschaft kämpft nicht nur die AfD. Auch konservative Kräfte wie die CSU werden ihre neue Stellung im Innen- und Heimatministerium nutzen, um erkämpfte Fortschritte anzugreifen. Das betrifft nicht nur flüchtende Menschen, sondern auch die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen und queeren Menschen. Schon in der letzten Legislaturperiode wurde linke Jugendkultur massiv durch die Union bedroht und kriminalisiert. Die Gleichsetzung von Rechts- und „Linksextremismus“, wie sie im Koalitionsvertrag zu finden ist, lässt nichts Gutes erahnen.
Der Koalitionsvertrag ist geprägt von Prüfaufträgen und der Auslagerung von Problemen in Kommissionen. Er findet keine gemeinsamen Antworten auf drängende Zukunftsfragen. Der Koalitionsvertrag gibt sich durch Leuchtturmprojekte wie die Digitalisierung einen modernen Anstrich, verschweigt dabei jedoch Finanzierungsvorbehalte. Viele der guten Projekte des Vertrags werden nicht umgesetzt werden können ohne die stärkere Besteuerung von hohen Einkommen und Vermögen. Es dominiert das „wir wollen“ über dem „wir werden“.
Der Koalitionsvertrag liest sich gut. Doch es fehlen wichtige klare Entscheidungen. Von der Steuerpolitik, die jegliches gemeinsames Konzept vermissen lässt, bis hin zur Friedenspolitik. Die Koalition drückt sich um verlässliche Aussagen. Der Vertrag erinnert an einen Lückentext mit viel Raum zur Interpretation, was in seinen vielen Prüfaufträgen und Kommissionen tatsächliches politisches Handeln werden soll. Das ist mutlos.