Durch die Corona Pandemie sind das Gesundheitssystem und die Vor- und Nachteile in den Mittepunkt des öffentlichen Interesses geraten. Damit sind einige Fragen verbunden was kann das deutsche Gesundheitssystem leisten und was nicht? Was ist gut und was ist schlecht? In diesem Beitrag kann ich die wesentlichen Aspekte nur pointiert darstellen.
Die wesentlichen Grundzüge des heutigen Gesundheitssystems sind auf die Einführungen der Sozialversicherungssysteme nach Bismarck zurückzuführen (mit Ausnahme der Pflegeversicherung die erst 1995 eingeführt wurde). In der Strukturierung sind die Sozialversicherungssysteme bis heute fast unverändert geblieben. In der Ausgestaltung der jeweiligen Sozialversicherungen wie z.B. der Krankenversicherungen oder der Refinanzierung von gesundheitsbezogenen Dienstleistungen, hat es im Laufe der Zeit erhebliche Veränderungen gegeben. Insbesondere die Gesundheitsstrukturgesetze und die damit verbundene Einführung der Fallpauschalen haben einen erheblichen ökonomischen Effizienzdruck auf das Gesundheitssystem allgemein sowie auf die Behandlung in Krankenhäusern, Rehakliniken, Fachärzten, Hausärzten etc. im speziellen ausgeübt.
Die Fallpauschalen legen Festpreise für Operationen und Behandlungen von Patient*innen mit den dazugehörigen Liegezeiten in Krankenhäusern oder Rehakliniken fest. Diese Begrenzung der finanziellen Mittel hat zur Folge dass die Kliniken in immer kürzerer Zeit mehr Patient*innen behandeln müssen, um ihre Fixkosten decken und wirtschaftlich liquide bleiben zu können. Gesundheitliche Einrichtungen sind somit durch die neoliberalen Veränderungen zu Wirtschaftsunternehmen umfunktioniert worden.
Neben den Fallpauschalen sind im Laufe der Zeit auch die Zuzahlungen der Krankenkassen immer mehr gedeckelt worden um den Kostendruck auf die Krankenkassen so niedrig wie möglich zu halten. Trotzdem steigen die finanziellen Belastungen der Krankenkassen und der Pflegeversicherungen immer weiter an. Ein wesentlicher Aspekt ist die Trennung in die private und die gesetzliche Krankenversicherung. Umgangssprachlich auch als Zweiklassenmedizin bezeichnet und die damit verbundene Ausnahme der Beamt*innen und Selbstständigen aus der Einzahlung in die gesetzliche Rentenversicherung. Um eine höhere und stabilere Beitragszahlung in die gesetzliche Krankenversicherung zu erreichen, ist es wichtig die Bürger*innenversicherung einzuführen. Es muss endlich Schluss sein mit der Bevorzugung von Beamt*innen und es muss eine Stabilität im Gesundheitsschutz für Selbstständige geben.
Ein weiteres, in letzter Zeit, viel beachtetes Thema ist die Personalsituation im Gesundheitsbereich. Im Zuge der Kosteneinsparungen versuchen viele gesundheitliche Einrichtungen über Controlling mit einem niedrigen Personalschlüssel einen immer höheren Arbeitsaufwand zu bewältigen. Dies hat psychosoziale und körperliche Auswirkungen auf die Beschäftigten. So ist es kein Wunder dass immer wieder vom Pflegenotstand die Rede ist. Der Pflegenotstand bezeichnet den Fakt dass immer mehr Pfleger*innen aus dem Beruf ausscheiden und die ohnehin schon niedrig angesetzten Personalschlüssel in der Pflege nichtausreichend besetzt werden können. Die Not geht mittlerweile soweit dass es Leiharbeitsfirmen für Pflegefachkräfte für Altenheime, Krankenhäuser und Rehakliniken gibt. Aber hat das noch irgendetwas mit Fürsorge oder Mitmenschlichkeit zu tun?
Diese Frage muss sich jede*r selbst beantworten. Wir machen aus meiner Sicht allerdings einen Fehler wenn wir Personalnot in den Gesundheitsberufen mit dem Pflegenotstand gleichsetzten. An dieser Stelle findet eine verkürzte politische Debatte statt. Denn es ist nicht nur die Pflege in der ein Personalmangel herrscht. Genau dasselbe Problem gibt es bei MTAS, Radiologieassistent*innen, MFAS, Heilerziehungspfleger*innen, Physiotherapeut*innen etc. Aus diesem Grund lasst uns genauer hinschauen wenn vom Fachkräftemangel im Gesundheitsbereich die Rede ist. Es geht nicht darum eine gegen die andere Berufsgruppe auszuspielen, sondern die Problemlagen sowohl berufsspezifisch sowie allgemein im Gesundheitssystem in den Blick zu nehmen. Dabei müssen wir allerdings auch immer die länderspezifischen Regelungen und Verordnungen zur Ausgestaltung der gesundheitlichen Versorgung vor Ort betrachten.
Ein letzter wichtiger Punkt ist für mich die Pharmaindustrie und die pharmazeutische Produktion. Ich setze mich schon seit ungefähr einem Jahr mit diesem Thema auseinander und bin schon lange der Meinung dass die pharmazeutische Produktion hier in Europa stattfinden muss. Das hat mehrere Gründe. Der erste und wichtigste Grund: Wir haben während der Corona Pandemie vor Augen geführt bekommen wie abhängig wir von der pharmazeutischen Produktion aus China und Indien sind. Denn das sind die Standorte an denen überwiegend die pharmazeutische Produktion stattfindet. Wir haben gesehen wie instabil und fragil die Lieferketten sein können und wie unsicher damit die pharmazeutische Versorgung von ganz Europa gewesen ist. Aus diesem Grund ist es richtig dass auf europäischer Ebene darüber diskutiert wird wie die Produktion wieder nach Europa verlegt werden kann. Es muss genauso über eine Vielzahl von Produktionsstandorten diskutiert werden. Denn momentan werden an einzelnen Standorten viele verschiedene medizinische Produkte erzeugt. Kommt es zu Verunreinigungen der Basischemikalien im Produktionsprozess kann dies auch auf andere Produktionsbereiche überspringen. Dies könnte einen Stillstand für viele verschiedene lebensnotwendige Medikamente zur Folge haben. Zudem müssen nachvollziehbare Qualitätsstandards für den Produktionsprozess und den Verbraucher eingeführt werden, was momentan nur unzureichend der Fall ist. Es gibt pharmazeutische global Player die an den verschiedensten Standorten der Welt produzieren, die Zulassung aber an einem Nebenstandort erwirken. Dies erschwert die Nachvollziehbarkeit der Produktionskette für den Verbraucher.
Zusammengefasst: Unser Gesundheitssystem hat Stärken und Schwächen. Die größte Schwäche momentan ist die Zweiklassenmedizin weshalb wir als Jusos schon lange die Bürger*innenversicherung fordern um dieser sozialen Ungleichheit entgegenzutreten. Auf Seiten des Personals müssen endlich die strukturellen beruflichen Probleme wahr- und ernstgenommen werden. Zu einem guten Gesundheitssystem gehört auch die Sicherstellung der Medikamentenversorgung. Aus diesem Grund muss die Produktion für die Sicherstellung des eigenen Bedarfs von Europa in Europa stattfinden. Es liegt noch viel Arbeit vor uns aber den wichtigsten Schritt haben wir schon getan, nämlich die Problematiken zu erkennen.