Mit Verlaub, wohl kann man sich gar nicht in die Situation von Familien hineinversetzen, wenn man selbst kinderlos ist. Dennoch bekomme ich in den letzten Monaten viel von Freundinnen und Freunden, von Kolleginnen und Kollegen erzählt.
Eine Freundin putzt im Schichtdienst in einem osthessischen Krankenhaus und muss das Familieneinkommen selbst stemmen. Ihre 13-jährige Tochter pubertiert und kann die Maßnahmen gar nicht nachvollziehen und das Kindergartenkind konnte seit Monaten nicht zur Oma. Die Finanzierung eines Babysitters stellt sich schnell als Belastung dar.
Oder ein anderes Lebensbeispiel: Er arbeitet im Handel und ist wenig zu Hause, sie arbeitet in einem Callcenter und muss nun Vollzeit in Homeoffice bleiben, die Kinder wollen Betreuung bei den Hausaufgaben, Essen und Aufmerksamkeit. Das ist gar nicht zu schaffen, wenn man eigentlich bis zu acht Stunden konzentriert am Schreibtisch sitzen müsste. Außerdem vermissen die allermeisten die Kita und die Schule. Man kann nicht draußen herumtoben, an den Spielplatz war auch lange nicht zu denken, die Situation ist angespannt.
Seit Mitte März dauern nun schon die Maßnahmen an und Familien wurden, mit Verlaub, auch in Ungewissheit gelassen.
Prof. Nicola Fuchs-Schündeln, Professorin für Makroökonomie und Entwicklung an der Goethe-Universität, Prof. Moritz Kuhn (Bonn) und Prof. Michèle Tertilt (Mannheim) haben die Folgen mangelnder Betreuungsangebote für Kinder und deren Auswirkungen auf die Arbeitszeit berufstätiger Eltern untersucht. Das Ergebnis: Der Anteil der Eltern, die von geschlossenen Schulen und Kindergärten betroffen sind, ist doppelt so hoch wie die Gesamtzahl der Arbeitslosen in Deutschland (im April 5,8 Prozent)[1].
Was gut war – in Bund und Ländern ist doch viel geschehen. Viele Eltern erhielten zunächst über sechs Wochen lang 67 Prozent des Nettoeinkommens als Lohnfortzahlung. Das ist meistens zwar zu wenig, bietet aber eine gewisse Sicherheit in der Krise. Auch die Berechnung des Elterngelds wurde geändert. Kitas und Schulen bieten Notbetreuung an für Kinder, deren Eltern in systemrelevanten Berufen arbeiten oder alleinerziehend sind.
Dennoch ist es so, dass diese Hilfen nicht ausreicht. Viele Eltern sind sprachlos und haben kein Verständnis dafür, dass Frisöre und Geschäfte nun wieder öffnen, die Betreuung der Kinder aber zuhauf immer noch ausgesetzt ist.
Mit Verlaub, es ist superwichtig, dass wir gemeinsam vernünftig bleiben und die aktuellen Maßnahmen befolgen. Nur dann können wir uns auch auf echte, vernünftige Lockerungen freuen.
Das Vertrauen der Eltern und Familien in die Politik ist aber stärker, wenn ein klares Zeichen kommt, dass auch wirklich alle Familien in Deutschland nicht alleine gelassen werden.
Daher hat sich die SPD in der großen Koalition im Hinblick auf das aktuelle Konjunkturpacket stark für Familien eingesetzt. Endlich ist es auch offiziell: Jeder Haushalt bekommt pro Kind 300,00 € überwiesen. Das ist auch superwichtig, denn man darf die zusätzliche finanzielle Last der Eltern nicht unterschätzen:
Die Maßnahmen der Schulschließungen allein bringen nämlich erhebliche Mehrkosten. sDamit Homeschooling funktionieren kann, braucht ein Schulkind auch die nötige digitale Ausstattung. Bei einem Laptop oder Tablet geht es preislich im dreistelligen Bereich gerade erst los, um hier nur ein Beispiel von vielen zu nennen.
Für Eltern die weniger als ein Einkommen von 65.000,00 € im Jahr zu versteuern haben, sind diese 300,00 € pro Kind steuerfrei und so einmal wirklich ein Zuschuss für Familien[2]. Auch wenn Familien Leistungen beziehen, darf dieser Betrag nicht angerechnet werden – also kurzzeitig eine echte, greifbare Unterstützung.
Inzwischen werden wieder alle Schüler*innen unter strengen Regeln und teils auch zeitlichen Einschränkungen im Präsenzunterricht unterrichtet. Die aktuellen Auflockerungen bringen gefühlt wieder ein bisschen Normalität in unsere Alltage.
Mit Verlaub, das aktuelle Konjunkturpaket ist für Familien ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Dennoch kann das nicht alles gewesen sein. Wenn nun wieder von einer neuen Infektionswelle gesprochen wird, so werden Familien hoffentlich deutlich schneller unterstützt. Auch muss in Zukunft mehr über die Möglichkeiten der Kinderbetreuung nachgedacht werden. Da bleibt zu hoffen, dass sich die SPD das nächste Mal wieder stark für Familien macht. Denn, mit Verlaub: bei einer erneuten Abwrackprämie wäre ich doch schlimm enttäuscht gewesen.
[1] https://www.n-tv.de/regionales/hessen/Studie-zu-Arbeitsausfall-wegen-Schul-und-Kita-Schliessung-article21826546.html
[2] https://www.wiwo.de/finanzen/steuern-recht/kinderbonus-wer-bekommt-die-300-euro-aus-dem-konjunkturpaket/25886576.html