Wenn man von „Inklusion“ spricht meint man laut der UN-Behindertenrechtskonvention, dass es allen Menschen von Anfang an möglich ist eine selbstbestimmte und gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu haben.
Momentan beschränkt sich ein Großteil der Präsenz dieses Themas jedoch auf den Lebensabschnitt Schule, wobei das Leben doch aus so vielen weiteren Teilen, Orten und Möglichkeiten besteht.
Inklusion beginnt nicht in der Schule, sondern in Köpfen. Sie bezieht sich nicht nur auf den Schulbesuch eines behinderten Kindes an einer Regelschule, sondern auch auf das Privatleben und die Möglichkeiten des Menschen.
Um die Bedeutung des Wortes „Inklusion“ zu verstehen, sollte man sich zuerst einmal den Unterschied zur „Integration“ bewusst machen.
Integration bedeutet kurz gesagt, dass sich das Individuum an das System anpasst, Inklusion hingegen, dass sich das System an das Individuum anpasst. Wir sprechen also davon, dass sich die unterschiedlichsten Menschen als EINE Gesellschaft verstehen und nicht als Sub-Gesellschaften in der Gesellschaft. Inklusion kann zudem nicht nur auf behinderte Menschen bezogen werden, sondern auf alle Personen/Personengruppen, die bisher zwar integriert aber nicht inkludiert sind.
Laut einer Erhebung des Statistischen Bundesamtes von 2009 leben in Deutschland mehr als 9,6 Millionen behinderte Menschen, demnach also ungefähr jede 11. Bundesbürgerin bzw. jeder 11. Bundesbürger. Davon ist ein Großteil schon aus dem Beschulungsalter heraus
Oftmals hört man im Zusammenhang mit den Thema Inklusion den Satz „Behindert ist man nicht, behindert wird man gemacht.“ und schaut man sich die aktuelle Situation an, so ist mit diesem Satz Wahrheit gesprochen: Die Mehrheit der Bahnhöfe ist immer noch ein großes Hindernis für viele körperlich behinderte Menschen, für die meisten Fernsehsendungen gibt es keine Simultanübersetzung in Zeichensprache und ein Großteil von Formularen ist nicht in leichter Sprache vorhanden; auch auf dem Arbeitsmarkt fehlt es an Jobangeboten außerhalb von Werkstätten, barierrefreie Wohnungen sind Mangelobjekte am Immobilienmarkt.
Wer einmal in einem Rollstuhl durch eine Innenstadt gefahren ist, der merkt, dass es oftmals schon an vielen kleinen Dingen liegt, die es einem schwer, teils auch unmöglich machen aktiv am Leben teilzunehmen, wie zum Beispiel zu enge Gänge in Läden oder fehlende Rampen; möchte man beispielsweise in einen Zug einsteigen, so ist man auf die Hilfe eines Schaffners angewiesen, der allzuoft erst einen Lift holen muss. Inklusion bedeutet, dass es möglich ist diese Dinge ohne fremde Hilfe oder Probleme selbstverständlich bewältigen zu können.
Bildungspolitisch gesehen gibt es aber auch außerhalb der Schule viele Brennpunkte. Zum Beispiel bleibt vielen jungen Menschen mit Förderungsbedarf eine Ausbildung verwehrt. So finden laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung nur rund 7% von ihnen einen Ausbildungsplatz, obwohl die Erfahrung der Unternehmen größtenteils sehr positiv ist. Grund dafür seien vor allem fehlende Informationen über die Umgestaltung der Ausbildungsplätze, aber auch fehlende Informationen seitens des Staates z.B. bezüglich Zuschüssen (Quelle: https://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xchg/bst/hs.xsl/nachrichten_121332.htm ).
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass wir die Menschen mit Behinderungen aktiv in den Prozess, in dem wir inkludieren wollen, miteinbeziehen. Es nützt nichts, wenn wir Gesetze verabschieden, die von jenen überhauptnicht mitgetragen werden. Es fördert die Sache nicht, wenn wir an irgendeinem Punkt ansetzten, wobei jene Menschen die größten Probleme an ganz anderen Stellen sehen. Behinderte Menschen haben wie alle anderen auch das, uns durch die Demokratie gegebene Recht, aktiv an politischen Prozessen nicht nur teilzuhaben, sondern mitzuwirken. So kann auch keiner über den Kopf des anderen hinweg entscheiden was dieser zum Beispiel am liebsten isst, bei dem Prozess der Inklusion ist es genauso. Es ist ein Projekt, dass GEMEINSAM angepackt werden muss.
Es ist ein Projekt, dass nicht mit Gesetzen beginnt, sondern in den Köpfen der Menschen. Unsere Gesellschaft muss auch in ihrem Denken von dem Integrationsgedanken weg hin zum Inklusionsgedanken:
Inklusion bedeutet, dass wir eben jedem behinderten Menschen genauso begegnen, wie jedem anderen auch. Es bedeutet, dass wir, wenn wir einen behinderten Mitbürger bzw. eine behinderte Mitbürgerin sehen, uns nicht darüber Gedanken machen, was er oder sie nicht kann; es bedeutet, dass wir nicht darüber nachdenken, wie lebenswert das Leben von ihm bzw. ihr ist; es bedeutet, dass wir den Menschen nicht mit unglaubwürdigen, mitleidigen oder gar spöttischen Blicken betrachten, dass es für uns ganz selbstverständlich ist einen eingeschränkten Menschen z.B. in einer Diskothek zu sehen. Inklusion bedeutet, dass wir einen behinderten Passanten genauso wahrnehmen, wie jeden anderen.
Aber Inklusion lebt auch von einer maßvollen Sensibilisierung, kurz gesagt sie lebt von Zivilcourage. Einem Rollstuhlfahrer etwas aus dem obersten Regalfach im Supermarkt zu holen, sollte genauso selbstverständlich sein, wie einem alten Menschen im Bus den eigenen Sitzplatz anzubieten und dies mit ehrlicher Freundlichkeit und nicht mit der aufgesetzten Maske, die wir dabei so oft tragen. Wenn unsere Gesellschaft es schafft, so zu denken, dann hätten wir einen maßgeblichen Teil der Inklusion erfüllt.
Betrachtet man nun alle diese Punkte, so sieht man, dass dieses Thema riesig ist, dabei umfasst es noch viel mehr als die hier genannten Bereiche. Es ist eine Aufgabe für uns alle. Inklusion betrifft JEDEN Menschen und um sie umzusetzen sind wir aufeinander angewiesen uns miteinander auszutauschen und zu sehen, wie wir sie aktiv in unseren Alltag leben können.
Es ist auch etwas, was nicht von heute auf morgen komplett erledigt ist, sondern Zeit braucht.
Kommen wir am Schluss noch einmal auf einen Aspekt, der auch immer wieder auftaucht: Ja, die Inklusion ist eine Zielsetzung, die in gewissen Formen zwar von finanziellen Mitteln abhängig ist, aber in einem sehr entscheidendem Punkt nicht: unser Denken und unser Verhalten.
Dabei sein ist nicht alles, die selbstverständliche Teilhabe ist viel wichtiger! Sie ist ein Menschenrecht und dessen müssen wir uns bei diesem Thema bewusst werden, sonst bleibt die Inklusion leider nur eine Illusion.
von Julia Kahler