Eigentlich sollte dies ein Beitrag über den Hessengipfel der SPD werden. Darüber, dass wir seit dem letzten Wochenende eine neue Generalsekretärin haben. – Auf den Vorschlag von Thorsten Schäfer-Gümbel hat der SPD Landesvorstand einstimmig Nancy Faeser nominiert. Nochmals herzlichen Glückwünsch, wir freuen uns auf die Zusammenarbeit! – Oder darüber, dass sowohl diese Personalentscheidung als auch das vom Landesvorstand verabschiedete Arbeitsprogramm zeigen, dass sich die neue Landesregierung auf eine neue sozialdemokratische Oppositionsführung einstellen muss. Und selbstverständlich müsste bei einem Beitrag über den Hessengipfel auch erwähnt werden, dass es am Wochenende auch um die Europawahl ging. Außerdem war unsere neue Bundes-Generalsekretärin Yasmin Fahimi vor Ort. – Neben ihren eher allgemeinen Floskeln zur zukünftigen politischen und strategischen Ausrichtung der Bundes-SPD, die einem durchaus aus dem Magazin Spiegel bekannt sein konnten, war es ein netter Antrittsbesuch. –
Fairerweise muss erwähnt werden, dass auf dem Hessengipfel tatsächlich die Europawahl im Vordergrund stehen sollte. Augenscheinlich ist es nicht einfach die Sozialdemokratie flächendeckend für den Europawahlkampf zu begeistern; das ist selbst bei dem ein oder der anderen gestanden Abgeordneten nicht leicht. Selbstredend gibt es an Europa einiges zu kritisieren. Da wird vermeintlich nur über Gurken und Bananen diskutiert, die Europäer sind sich nie einig und im Zweifelsfall funkt die EU der deutschen Politik immer nur dazwischen. Wie war das noch gleich „Es gibt nichts Gutes in Europa“ und ja klar, die EU kostet dem deutschen Steuerzahler viel, viel Geld.
Das politische System Europa steht unter dauerhaftem Friendly Fire. Selbstredend wollen die nationalen Staats- und Regierungschefs inkl. der deutschen Kanzlerin eine vermeintlich starke EU. Das bedeutet aber nicht, dass sich deshalb auch dafür eingesetzt werden müsste, erst recht nicht unbedingt zu Hause in Deutschland. Und wenn dann wie zuletzt die EU beschließen möchte, dass in deren Grenzen kein Genmais angepflanzt werden soll, ja dann ist Deutschland dabei und verhindert ein europaweites Verbot. Ganz konkret haben der CDU-Gesundheitsminister, die CDU-Forschungsministerin und die CDU-Bundeskanzlerin mit ihrem „nein“ dafür gesorgt, dass sich Deutschland bei der Abstimmung enthalten musste. Die SPD wollte das Verbot, die CDU nicht, also enthält man sich. Ergebnis: Genmais für alle Dank Bundeskanzlerin Merkel.
Ich gebe gern zu, dass ich nicht wirklich zu den Europaexperten gehöre. Aber ich habe das Glück, dass wir bei den Jusos viele Experten und noch mehr, wirkliche Europafans haben. Offensichtlich fällt es uns leichter über nationale Grenzen hinaus zu denken. Außerdem kann selbst ich Dank der andauernden Überzeugungsarbeit unserer amtierenden Europaabgeordneten Barbara Weiler und Udo Bullmann sowie der neuen Kandidatin Martina Werner eine Leidenschaft für Europa entwickeln. Wir Jüngeren sind aufgewachsen in einem Europa, das sich von seinen inneren Grenzen getrennt hat, das sich nach zwei Weltkriegen und dem kalten Krieg direkt in seiner Mitte kontinuierlich zu einem stärkeren Ort von Frieden und Sicherheit entwickelt. In Europa gibt es auch Gutes. Und davon nicht zu knapp. Wieso reden wir dann nicht auch mehr darüber?
In dieser Europawahl, mit Martin Schulz als sozialdemokratischen Spitzenkandidaten in und für ganz Europa, steckt eine große Chance für die EU, aber auch für die hessische Sozialdemokratie. Wir haben in weniger als hundert Tagen die Chance aufzuzeigen, dass wir die Hessen für eine sozialdemokratische Europapolitik begeistern können. Dazu müssen wir nur eines tun. Wir müssen mit den Menschen reden. Wenn wir bei Infoständen und Hausbesuchen schon dabei sind, mit den Menschen zu sprechen, dann lasst uns ihnen auch gleich sagen, dass wir auch in Hessen für sie da sind. Schwarz-Grün mag zwar so tun, als würden sie dieses Land führen, den Beweis bleiben sie aber bislang allen erfolgreich schuldig. Umso wichtiger, dass wir als Oppositionspartei für die Menschen da sind. Also wieso nicht zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen? Hinzu kommt, dass bereits Anfang 2016 in Hessen die Kommunalwahl stattfindet. Somit gibt es auch für alle Anhänger der pragmatischen Politik einen ganz einfachen Grund, für Europa zu werben: Der Europawahlkampf ist das Warm-up für den Kommunalwahlkampf.
Jede Chance, die wir haben, mit den Menschen ins Gespräch zukommen und die wir nutzen, führt letztendlich zum Politikwechsel. Und wenn dieser in Europa zu schaffen ist, dann sollte das für die hessische Sozialdemokratie zu Hause mehr als ein Ansporn sein. Der Politikwechseln kommt nicht von allein und alle guten Dinge sind bekanntlich drei.
Mit solidarischen Grüßen
Pascal Barthel
Juso-Landesvorsitzender